Interview mit Seco Northern Europe: »Wir entwickeln keine eierlegende Wollmilchsau« - Hardware - Elektroniknet

2022-06-25 07:47:39 By : Ms. Tracy Lei

Heutige Prozessoren können HMIs mehr Rechenleistung bereitstellen, als sie für die rein grafische Anzeige benötigen. Zusätzliche Steuerfunktionen sind denkbar. Warum man sich trotzdem auf die Kernfunktion eines HMI besinnen sollte, erklären Christoph Kutzera und Stephan Meyer-Loges von Seco.

Christoph Kutzera ist Head of Solutions, Stephan Meyer-Loges leitet das Produktmanagement. Beide sind für die ehemalige Garz & Fricke Group tätig, die im Jahr 2021 vom italienischen Embedded-Spezialisten Seco übernommen wurde und seit Jahresbeginn unter dem neuen Namen Seco Northern Europe firmiert. Im Interview blicken sie auf die langjährige Lernkurve des Unternehmens in der HMI-Entwicklung zurück und erklären, warum sich hier proprietäre Standards bewährt haben. Zudem schildern sie, wie Seco die beiden großen Themen Nachhaltigkeit und Bauteileknappheit angeht.

Markt&Technik: Welche Arten von HMIs entwickeln Sie hauptsächlich?

Stephan Meyer-Loges: Grundsätzlich alles, was die moderne Mensch-Maschine-Interaktion im professionellen Bereich ermöglicht. Es beginnt bei SBCs und SoMs, also Single-Board-Computern und System-on-Modules, die wir nicht nur als Teil des HMI selbst fertigen, sondern auch als eigenständige Produkte anbieten. Mit ihnen kann ein Kunde sein eigenes HMI konstruieren. Eine Ebene höher entwickeln wir Subsysteme und Systeme wie Touch-Steuerungen, Displays und Touchdisplays bis hin zum schlüsselfertigen HMI. Schlüsselfertig heißt: ein vollständiges System aus Touchdisplay mit SBC oder SoM, Gehäuse, Betriebssystem und Anwendungssoftware. Eine sichere Cloud-Anbindung ist ebenfalls möglich.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie die HMIs für Ihre Kunden?

Christoph Kutzera: Wir sind in erster Linie in den Märkten Industrie, Medizin- und Labortechnik, Vending und Gastronomie tätig. Hier muss grundsätzlich eine lange Lebensdauer gewährleistet sein. Die Betriebsbedingungen sind recht anspruchsvoll, meist mit Dauerbetrieb, und die Ersatzteile müssen über einen langen Zeitraum verfügbar sein. Für die konkrete Entwicklung ist der Ausgangspunkt meist der verfügbare Bauraum. Er legt die Display-Größe des HMI fest und damit einige weitere Leistungsanforderungen. Wie viel Rechenleistung über den SBC oder das SoM bereitzustellen ist, hängt maßgeblich von der ausgeführten Anwendung ab.

Wie ist es bei Ihren eigenen HMI-Produkten?

Meyer-Loges: Bei unserem eigenen Sortiment achten wir darauf, dass ein HMI für einen möglichst großen Anwendungsbereich funktioniert. Gleiches gilt für die SoMs und die SBCs. Hierfür müssen wir allgemeine Qualitätsanforderungen erfüllen und uns bei den Schnittstellen festlegen.

Kutzera: Vergleicht man unsere heutigen HMIs mit den ersten beiden Modellen Ganymed und Callisto aus der Jupiter-Serie von vor rund 15 Jahren, dann sieht man gerade bei den Schnittstellen eine große Veränderung. Damals wollte man möglichst alles in einem Gerät abdecken. Aus heutiger Sicht sind solche HMIs viel zu groß, viel zu teuer und lassen sich nur schwer integrieren. Mittlerweile legen unsere Kunden viel mehr Wert darauf, dass sie ein HMI einfach austauschen können. Wir haben im Laufe der Zeit gelernt: Wir entwickeln keine eierlegende Wollmilchsau. Bei HMIs konzentrieren wir uns auf die Visualisierung und versuchen nicht, auch noch Steuerelektronik zu integrieren. Die ist besser in einer separaten Steuerung aufgehoben. Natürlich muss ein HMI die Benutzereingaben verarbeiten und Steuerbefehle auslösen können, jedoch ist ein HMI keine Steuerung.

Meyer-Loges: Bei der HMI-Entwicklung haben wir eine Lernkurve hinter uns, bei der sich viel verändert hat. Eine Konstante sind lüfterlose Konstruktionen. Darauf haben wir von Anfang an Wert gelegt, weil sich damit ein deutlich größeres Anwendungsgebiet abdecken lässt.

Auf welche Prozessoren setzen Sie dafür? Mit dem Zusammenschluss mit Seco hat sich hier sicherlich etwas verändert.

Meyer-Loges: Nach den Fusionen mit Keith & Koep und Seco lässt sich das tatsächlich nur noch standortbezogen beantworten. Generell dürfen für lüfterlose Systeme die Prozessoren nicht zu viel Leistung aufnehmen. Hierfür setzen wir schon lange auf Arm-Prozessoren. Ihre Leistungsaufnahme ist gering, sodass wir uns gut mit der Arm-Technik identifizieren können. Wir arbeiten gerne mit NXP Semiconductors zusammen, weil dessen Prozessoren immer nah am neuesten Stand der Technik gehalten werden und am Markt sehr gut akzeptiert sind – wir legen uns aber nicht auf einen einzigen Hersteller fest.

In unserem Standort in Hamburg nutzen wir fast ausschließlich Arm-Prozessoren aus NXPs i.MX-Reihe in Verbindung mit Linux Yocto. In Wuppertal liegt der Fokus ebenfalls auf Arm-Prozessoren; zusätzlich integrieren wir SoMs von Qualcomm. In Wuppertal befindet sich außerdem unsere Android- und Windows-Softwareentwicklung. In Arezzo, dem zentralen Sitz der Seco-Gruppe, spielen zudem Rockship-CPUs auf Arm-Basis eine Rolle. Den größten Anteil machen hier aber x86-Prozessoren von Intel und AMD aus, auf denen wir mit Betriebssystemen wie Windows 10 arbeiten. HMIs auf x86-Basis sind nicht immer zwingend lüfterlos – das ist für uns zum Beispiel neu.

Sie entwickeln Ihre Embedded-Boards teils nach Industriestandard, teils nach proprietärem Standard. Warum diese Doppelstrategie?

Kutzera: Mit Embedded Boards, die nach Industriestandards entwickelt wurden, lässt sich ein sehr großer Markt ansprechen. Viele Unternehmen haben ihre Vorentwicklung von Baseboards und Carrierboards auf standardisierte Formfaktoren ausgelegt. Eine große Marktabdeckung ist natürlich attraktiv, daher arbeiten wir in den Standardisierungsgremien für zum Beispiel SMARC oder Qseven mit. Der Nachteil ist, dass nicht alle Entscheidungen in der eigenen Hand liegen. Beschließt das Gremium, dass eine Schnittstelle oder eine Pinbelegung nach fünf Generationen ausgetauscht wird, müssen wir diesen Schritt mitgehen.

Meyer-Loges: Proprietäre Standards haben wir eingeführt, weil wir HMIs entwickeln wollen. Es gibt uns die Sicherheit, selbst zu entscheiden, über wie viele Generationen wir den Standard unverändert beibehalten. Zudem können wir notwendige Änderungen so gestalten, dass unsere Kunden davon nichts spüren. Ein proprietärer Standard gibt uns außerdem die Möglichkeit, Anpassungen am Board vorzunehmen, die auf unsere HMIs zugeschnitten sind. Zum Beispiel entwickeln wir HMIs mit den Display-Größen 4,3, 5,0 und 7,0 Zoll, und auf diese Größen sind unsere Embedded-Board-Serien Santino und Santoka ausgelegt. Außerdem ist der Formfaktor der Boards so bemessen, dass im Einbaufall genügend Platz für Stecker bleibt. Solche Dinge lassen sich nicht industrieweit festlegen, sondern müssen auf kleinerer Ebene umgesetzt werden.

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